Von Genf nach Lyon.
Wir sitzen im Bus. Es geht Richtung Lyon. Die Grenze haben wir schon
passiert, jetzt die Maut-Station und dann rauf auf die Autobahn.
Gerade konnte man kurz den Mont Blanc aus dem Fenster sehen. Jetzt
liegt vor uns das Jura, wenn wir nicht ganz falsch liegen. Das werden
die Kaufleute wohl auch schon gesehen haben, als sie damals unterwegs
waren. Wir hatten einen angenehmen Tag in Genf. Heute, bei schönem
Wetter, hat es sich in seinem schönsten Kleid gezeigt. Wir haben den
Hafen erkundet, den Place du Bourg-de-Four, wo schon im Mittelalter
Märkte stattgefunden haben. Wir waren recht früh fertig und haben
den Blick auf den See genossen und die Gedanken schweifen lassen.
Heute endet unser kleiner Ausflug in die Schweiz, zweites Land
geschafft. Und wir sind mit nicht einmal 35 Euro pro Person durch die
Schweiz gekommen. Wir sind stolz. Wir leben reduziert. Es fühlt sich
gut und richtig an. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung der
Gesellen auf der Reise übernahm damals die Gesellschaft. Außerdem
stattete sie sie regelmäßig mit Kleidung aus. Die Verpflegung
umfasste nicht nur Speisen inklusive Brot, Wein und Fleisch für
jeden Tag, sondern auch Holz und Licht. War einer der Gesellen krank,
wurden die Kosten für Ärzte und Apotheker von der Gesellschaft
übernommen. Eigentlich recht komfortabel. Gerade die jungen Gesellen
mussten aber sehr genau darüber Buch führen, wie viel sie wofür
ausgegeben hatten. Genau das machen wir auch. Wir notieren jeden
Franken und Euro, den wir ausgeben. Wir sparen Kosten für Unterkunft
und Verpflegung, werden meist liebevoll und kostenlos von unseren
Gastgebern versorgt. Für die Wirtsleute, bei denen die Ravensburger
Kaufleute für längere Zeit untergekommen waren, gab es damals bei
der Abreise, zum Neujahrstag oder bei Taufen teils auch Geschenke.
Auch wir versuchen unseren Gastgebern immer eine Kleinigkeit da zu
lassen. Wir versuchen uns in vielen Punkten der Reise von damals
anzunähern. Da sei es gestattet, dass wir nicht alles zu Fuß
laufen. Wir übertragen diese Reise in die heutige Zeit. Nutzen die
Verkehrsmittel, die wir heute haben. Den Fernbus zum Beispiel.
Bleiben nicht anonym, sondern sprechen mit Menschen. Stellen uns
viele Fragen zu dem Leben von damals. Die nächsten Tage werden
aufregend. Es ist erst eine Woche vorüber, doch nach all dem was wir
gemacht und erlebt haben, könnten es schon viele Wochen sein. Jetzt
kommt das Ungewisse, wir haben noch nicht genau geplant, wie wir von
Lyon aus weiter machen. Wir wollen auf jeden Fall noch eine Etappe
laufen. Vielleicht zwischen Lyon und Avignon, entlang der Rhône. Der
Jakobsweg führt da ein Stück entlang. Oder die römische Via
Agrippa die links der Rhone flussaufwärts von Arelate, dem heutigen
Arles, nach Lugdunum dem heutigen Lyon, führte. Aber jetzt erst
einmal Lyon. Im Mittelalter Messestadt, bekannt für seine Seide. Die
Ravensburger Handelsgesellschaft hatte hier ein Gelieger. Nur ein
Viertel der Transporte der Gesellschaft ging übers Meer, wegen der
Piraten. Dann hat man ab Lyon die Waren auf der Rhone auf Schiffe
verladen bis nach Avignon. Von dort über mehrere Häfen nach
Barcelona. Wenn man Glück hatte, dann konnte man diese Passage in
etwa 30 Tagen zurücklegen. Wir haben noch genau zwei Wochen. Das
wird schon.
Anne
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