Mittwoch, 30. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 17


Perpignan. Regen, Regen, Regen. Den ganzen Tag. Die Wasserspiele von Perpignan. Wir starten unseren Stadtrundgang dennoch. Wie zwei begossene Pudel erscheinen wir in der Touristeninformation. Man drückt uns eine Papierkarte in die Hand, auf der Liste für heute stehen: Das Castillet, die Kathedrale St. Jean, das Hôtel de Ville, die Loge de Mer und natürlich: der Königspalast der Könige von Mallorca. Die Loge de Mer ist ein schönes gotischen Gebäude, früher der Sitz des Konsulates für Meeresangelegenheiten. Perpignan ist wahrscheinlich generell ganz schön, nur nicht bei Regen. Man sagt uns, es regne hier normalerweise nur fünf Tage im Jahr, wir hätten gerade einen dieser Tage erwischt. Schade. Mittelalterliches Flair ist in den Gassen der Stadt kaum noch zu spüren. Die hellen Steinhäuser der Provence sind bunt gestrichenen Häuschen und Palmen gewichen. Die Stimmung ist mediterran. Am Nachmittag wollen wir uns den Königspalast ansehen. Umrahmt von einer gewaltigen Mauer, die keinen Blick auf das, was sie im Inneren beschützt, zulässt. Wir sind auf der Suche nach einem Zugang. Nach einer dreiviertel Runde finden wir die Tür. Diese Woche geschlossen, Restaurierungsarbeiten. Ärgerlich. Wir können nicht einmal einen Blick auf den Palast erhaschen. Damit beenden wir unsere heutige Spurensuche. So wenig erfolgreich und so nass wie noch nie auf dieser Reise. Zurück geht es im Slalom um unzählige Hundekot-Häufchen. Die Straßen sind voll davon. Wenn wir von der Stadt nicht wirklich viel gesehen haben, dann, weil wir die meiste Zeit auf den Boden schauen mussten, um in kein Häufchen zu treten. Das war sie also, die letzte Station vor dem Ziel. Perpignan. Wir hatten uns mehr erwartet. Vor allem besseres Wetter. Dann macht es irgendwie mehr Spaß auf Spurensuche zu gehen.

Anne

Dienstag, 29. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 16


Von Montpellier nach Perpignan. Den Vormittag lassen wir in Montpellier ausklingen. Das Wetter ist nicht so gut, der Sommer scheint sich auch hier nun endgültig zu verabschieden. Wir machen also keinen Abstecher zum Strand und können keinen Blick aufs Mittelmeer riskieren. Für den Mittag haben wir eine Mitfahrgelegenheit nach Perpignan gebucht. Immer weiter Richtung Spanien. Wir werden dieses Mal also dafür bezahlen, dass uns jemand mit dem Auto mitnimmt. Ein komischen Gefühl, denn bis auf die Tatsache, dass wir eine feste Uhrzeit haben, wann wir Montpellier mit dem Auto verlassen werden, ist es eigentlich genauso, wie wenn wir per Anhalter fahren. Nur das man bezahlt. Müssen wir uns schlecht fühlen, dass wir bisher nicht bezahlt haben, wenn uns jemand mitgenommen hat? Wahrscheinlich nicht. Die Landschaft hinter den Autoscheiben ist beeindruckend. Sanfte Hügel, Büsche, viel Wein. Karge Landschaft, die aussieht, als hätte so einen harten, sonnenreichen Sommer hinter sich. Wenn ich in diese Landschaft gucke, wird das Humpis-Gefühl bei mir immer stärker. Die Schotterwege am Rande der Straße sehen aus, als würden jeden Moment die Kaufleute hinter einer Weggabelung auftauchen. Mit schwer bepackten Maultieren. Hoffentlich zieht sich dieses Gefühl auch bis nach Perpignan. Wir erfahren von unserem heutigen Gastgeber, dass wir jetzt bereits in Katalonien sind. Wie? Wir sind doch noch gar nicht in Spanien. Da haben wir wohl im Geografie-Unterricht nicht aufgepasst. Barcelona ist also quasi zum greifen nah. Weniger als zwei Stunden sind wir von unserem Ziel entfernt. Es ist verrückt. Wenn man so wie wir von Station zu Station reist, merkt man kaum, wie viele Kilometer man eigentlich schon zurückgelegt hat. Wenn wir nicht gerade laufen, sind wir oft nur zwei Stunden von einem Ort zum anderen unterwegs. Nicht mehr als 200 Kilometer. Natürlich, das summiert sich bei 8 Stationen. Aber es fühlt sich nicht so an. Barcelona fühlt sich an, also läge es gleich neben Ravensburg und wir merken die mehr als 1000 Kilometer, die wir bereits zurückgelegt haben gar nicht. Zeit, um zurückzublicken und die Reise Revue passieren zu lassen. Wobei... das sparen wir uns für Barcelona auf.

Anne

Montag, 28. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 15

Aigues-Mortes. Naja eigentlich müsste ich sagen: Montpellier. Für die vergangene Nacht sind wir in Montpellier untergekommen. Aigues-Mortes ist ein teures Pflaster. Montpellier ist ein Kontrastprogramm. Die Stadt ist groß, modern, designt. Es gibt eine Altstadt, die sich aber nicht ins Stadtbild einfügt. Der alte Teil und der neue Teil funktionieren getrennt voneinander, keine Symbiose. Es ist dreckig und stinkt. Großstadt eben. Wir erkunden die Stadt, ebenfalls im Mittelalter nicht unbedeutend. Aigues-Mortes und Montpellier lebten im Mittelalter quasi in Symbiose. Aigues-Mortes war das Tor zum französischen Königreich, zu den Städten Arles und Montpellier. Heute ist Aigues-Mortes ein beschauliches Touristen-Örtchen und Montpellier eine Metropole. Wir nutzen den heutigen Tag an dieser außerplanmäßigen Station und schlendern durch die Stadt. Wir finden einen Teil einer alten Stadtmauer und eine Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Das wird natürlich dokumentiert. Den Rest des Tages lassen wir uns treiben. Wir geben zu, wir gönnen uns heute eine Verschnaufpause. Nächster planmäßiger Halt: Perpignan. Wir nehmen morgen eine Mitfahrgelegenheit. Wieder eine neue Art zu Reisen. Vielleicht schauen wir vorher nochmal kurz am Strand vorbei, wenn man schon mal da ist. In Perpignan geht’s dann geschäftig weiter. Hier hatte die Gesellschaft damals ein eigenes Gelieger. Von Perpignan werden wir dann ein letztes Mal trampen. Nach Barcelona. Zum Abschluss. In diesem Sinne: Gute Nacht.

Anne

Auf den Spuren der Humpis - Tag 14


Aigues-Mortes. Der heutige Tag verläuft unspektakulär. Wir arbeiten unsere To-Do-Liste ab. Kirche, Statue Saint Louis, Stadtmauer, Salinen. Aigues-Mortes ist nämlich berühmt für sein Salz. Das Fleur de Sel aus der Camargue kann man hier kaufen. Schon im Mittelalter gab es Salz in Aigues-Mortes. Die Stadtmauer ist wirklich beeindruckend. Im Rechteck arbeiten wir uns durch mehrere hundert Jahre Geschichte. Und genießen die Aussicht auf die Salzberge. Wir sind immer noch auf der Suche nach den Flamingos. Da wir schon gegen Mittag mit unserer heutigen Humpis-Spurensuche durch sind, machen wir am Nachmittag eine Bootstour, wie die Touristen. Und sitzen also mit hauptäschlich älteren Leuten und ein paar Familien auf einem Aussichtsdampfer auf der Suche nach Flamingos. Und Pferden. Und Stieren. Wenn man so will, ist heute ein Tier-Tag. Und wir werden nicht enttäuscht. Auf unserer zweieinhalbstündigen Ausfahrt sehen wir tatsächlich echte Flamingos, nur ziemlich weit entfernt. Und wir kommen an den Salinen vorbei. Zu guter Letzt, zeigt man uns auf einer Ranch noch, wie das mit dem Stiere zusammentreiben funktioniert. Die Landschaft der Camargue ist einmalig. Heute fühlt sich irgendwie alles nach Urlaub an. Und wir sind sicher, dass wir eines Tages wieder hier herkommen wollen. Wenn nur die ganzen Touristen nicht wären. Dann wäre es schöner, würde seinen Zauber behalten. Da wir uns eine weitere Nacht im Hotel nicht leisten wollen, schlafen wir heute Nacht in Montpellier, ebenfalls mittelalterlich bedeutend, und ein wahres Kontrastprogramm. Von der idyllischen Kleinstadt in die aufstrebende Metropole. Zwar liegt Montpellier nicht unbedingt auf dem Weg der Humpis, die sind ja ab Aigues-Mortes weiter übers Meer, aber da Aigues-Mortes nun einmal keinen Hafen mehr hat, müssen wir zwangsläufig an Land weiter. Und so bleiben wir einen Tag in Montpellier, ziehen dann weiter nach Perpignan und letztendlich nach Barcelona. Und all das noch in dieser Woche. Wie die Zeit vergeht...

Anne



Samstag, 26. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 13


Von Avignon nach Aigues-Mortes. Heute Vormittag ging es mit dem Zug von Avignon nach Aigues-Mortes. Wir lassen die Brücke hinter uns und mit ihr hoffentlich auch den Ohrwurm. Auf den Schienen geht es nun Richtung Mittelmeer. Denn Aigues-Mortes lag einmal am Mittelmeer. Zunächst entwickelte es sich gut als mittelalterliche Hafenstadt, doch dann begann das Meer sich durch die Versandung der Lagune zurückzuziehen. Heute liegt Aigues-Mortes rund 6 km vom Meer entfernt. Ärgerlich. Die Zugfahrt ist wieder sehr angenehm. Immer wieder erstaunlich, wie schnell man doch mit dem Zug oder dem Auto reisen kann. Und vor allem, wie viel schneller als zu Fuß. Wir schauen aus dem Fenster. Die Landschaft verändert sich. Die Berge verschwinden, es wird flacher, Palmen, Bäume, Wiesen und überall: Pferde. Willkommen in der Camargue. In Aigues-Mortes haben wir uns ein kleines Hotel gebucht. Schließlich wollen wir bei unserer Reise auch mal andere Erfahrungen machen. Und außerdem gab es hier keine Couchsurfer. Unser Hotel ist süß, es hat einen Pool. Aber irgendwie ist es unpersönlich. Steril, anonym, touristisch. Bei der Begrüßung bekommen wir einen Stadtplan in die Hand gedrückt, es gibt noch einen Restaurant-Tipp. Kein Smalltalk, keine Verständigungsprobleme, keine Diskussion, ob wir nun Englisch oder Französisch miteinander sprechen und keine Fettnäpfchen, wie viele Küsschen man sich jetzt gibt. Es ist etwas anderes, bei einem fremden Menschen zu Hause zu übernachten. Nicht vergleichbar mit einem Hotel. Es ist intimer, man lernt die Person kennen, bekommt einen Einblick in ihre Privatsphäre, ihr Leben. Das kann aber auch zu Konflikten führen. Man muss Rücksicht nehmen, sich arrangieren. Heute Nacht müssen wir keine Rücksicht nehmen. Heute sind wir mal eine Nacht ganz für uns, können ausruhen. Bekommen allerdings auch kein selbst gemachtes Essen. Zur Feier des Tages, wir haben schon mehr als die Hälfte des Wegs zurückgelegt, gehen wir auswärts essen. Ein 3-Gänge-Menü. Ja, dekadent, aber um ehrlich zu sein, gab es in Aigues-Mortes auch nichts anderes. Obwohl die Stadt so klein ist, platzt sie vor Touristen aus allen Nähten. Ein Restaurant reiht sich an einen Souvenir-Shop, an eine Boutique, an ein Restaurant. Ein bisschen wie in Disneyland. Nur für Mittelalter. Ein Konsumdorf sozusagen. Eigentlich schade, denn die mittelalterliche Stadtmauer, der Tour de Constance und die alten Gebäude und engen Gassen im Inneren der Stadt sind wirklich beeindruckend. Jetzt verkommen sie ein wenig zu einer Touristenattraktion. Sind aber auch gut in Schuss, die Stadt hat Geld. Mit einem Lavendel-Eis in der Hand erkunden wir die Stadt. Sehen uns an, was wir alles filmen wollen. Erfühlen die Atmosphäre, suchen Perspektiven. Wir kämpfen uns durch die Touristen raus aus der Stadt. Und sind beeindruckt. Eine komplett erhaltene Stadtmauer. Eine Stadt, die von außen aussieht wie eine Playmobil-Burg. Hinter der Mauer die Salinen. Große Salzseen, am Horizont Flamingos. Holzstege, die durch Sumpfgebiet führen. Wir sind immer noch beeindruckt. Die Camargue zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Bei strahlendem Sonnenschein und merklich heißeren Temperaturen als in den letzten Tagen. Wir versuchen diese Atmosphäre für uns mitzunehmen. Fragen uns, welche Station uns bisher auf unserer Reise am besten gefallen hat und kommen zu dem Schluss, dass wir uns immer dort, wo wir gerade waren, am wohlsten gefühlt haben. Bisher läuft also alles nach Plan.

Anne

Freitag, 25. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 12


Avignon. „Sur le pont d'Avignon...“ mit diesem Lied im Ohr wachen wir auf. Wir haben gut geschlafen, unser heutiges Bett war sehr gemütlich und unsere Glieder sind nach dem gestrigen Zug-Reisetag wieder regeneriert. Bereit also, Avignon zu Fuß zu erkunden. Vorher allerdings noch ein Interview fürs Radio. Dieses Mal von der Treppe vor dem Haus, im Wind. Schwierig, aber machbar. Die Qualität meines Beitrags hat allerdings etwas unter diesem Umstand gelitten. Es hat aber auch schrecklich geweht und es war kalt. Nun gut. Seitdem wir Lyon verlassen haben, sind wir erstaunt, wie windig es hier ist. Mittlerweile sind wir in der Provence und es ist immer noch furchtbar windig. Stürmisch. Alle Bilder ein bisschen verwackelt. Aber das ist ja in Mode. Ansonsten zeigt sich Südfrankreich von seiner schönsten Seite. Die Sonne strahlt, es ist warm. Das macht den Stadtrundgang um einiges angenehmer. Wir beginnen mit der Brücke. Immer mit einem flotten „sur le pont d'Avignon“ auf den Lippen Ich frage mich, ob wir diesen Ohrwurm je wieder los werden. Gestern haben wir die Brücke schon von außen gefilmt. Heute wollen wir drauf, wie die Humpis. Die Steine unter den Schuhen, den Wind im Gesicht spüren. Den Blick auf die Rhône genießen, unserer treuen Weggefährtin seit Genf. Und auf den Papstpalast schauen. Und den Tour Philippe le Bel, der über der Brücke wacht. Heute allerdings nur noch symbolisch. Die ursprünglich über sieben Bögen verfügende Pont St. Bénézet, hat mittlerweile nur noch fünf und hört direkt im Fluss auf. Ziemlich abrupt. Oft wurde die Brücke beschädigt, im 17. Jahrhundert wurde sie dann ganz aufgegeben, wenn ich mich recht erinnere. Aber sie ist immer noch eindrucksvoll. Ähnlich wie der Palast. Nicht vergleichbar mit allen Münstern, Kirchen und Kathedralen, die wir bisher auf unserer Reise besucht haben. Rechteckig, klotzig. Von innen schmucklos. Leer, viel Text, viel Information. Über die Päpste, die Architektur. Spannend, aber auch ermüdend. Keine wirklich gute Ausstellung. Umso beeindruckender der Blick vom Tour Philippe le Bel. Ein Rundumblick über Palast, Brücke und den Mont Ventoux. Wir stellen uns vor, wie die Brücke wohl in ihrer vollen Größe ausgesehen haben muss, so wie die Kaufleute sie gesehen haben. Und Avignon, geschützt von einer kräftigen Stadtmauer. Wir setzten uns an den Fluss und träumen noch ein bisschen weiter. Ich würde gerne mal einen Tag im Mittelalter erleben, in der Zeit der zwei Päpste, des florierenden Mittelmeerhandels, ferne Welten entdecken. Aber vorerst muss unsere Spurensuche genügen. Auch wenn wir immer weniger finden, je weiter wir uns von Ravensburg entfernen, macht es immer noch Spaß und ist immer noch spannend. Mit der Sonne auf dem Gesicht träumen wir uns schon mal ans Mittelmeer. Morgen geht es nach Aigues-Mortes.

Anne

Donnerstag, 24. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 11

Von Livron-sur-Drôme nach Avignon. Heute ist der Tag des Wartens, wir haben ihn Tag des Wartens getauft. Den Vormittag verbringen wir im beschaulichen Livron und warten, dass unser Zug abfährt. Eigentlich wollten wir wieder laufen. Aber die 30km Etappe war wirklich genug. Uns tun die Gelenke weh. Außerdem ist das Verkehrsnetz des öffentlichen Nahverkehrs hier eher problematisch. Wir finden also keine geschickte Route, um heute noch zu laufen und nach Avignon zu kommen und nehmen also direkt den Zug ab Livron, auch gut. Am Mittag fährt unser Zug, mit 30 Minuten Verspätung. Die zweite Wartezeit. Vorbei geht es an Hügeln immer weiter Richtung Süden. Sehr schön. Ab und zu kann man die Rhône sehen. Wir kommen in Avignon an und sind erstmal überrascht. In der Hauptstraße tummeln sich Jugendgangs und werfen Feuerwerkskörper auf die Straße, in die Menge. Wir hatten irgendwie das Postkarten-Avignon erwartet. Ein Stück weiter sehen wir das dann auch. Wir stehen vor dem Papstpalast. Eindrucksvoll. Sehen die Brücke. Ziemlich klein, aber ziemlich alt. Wir lassen den Tag mit einer kleinen Stadterkundung ausklingen. Und müssen wieder warten, da sich unser Gastgeber von heute Abend nicht meldet. Zwei Stunden vergehen, es wird kalt. Die Rhône scheint der windigste Ort der Welt zu sein. Morgen werden wir die Stadt richtig erkunden. Wir sind gespannt. Und hatten für diesen Tagebucheintrag exakt 5 Minuten Zeit. Der Gastgeber ist dann doch noch aufgetaucht. Morgen mehr!

Anne

Auf den Spuren der Humpis - Tag 10

Von Valence nach Livron-sur-Drôme. In Valence war es toll. Wir hatten uns ja nur für dieses Städtchen entschieden, da es auf dem Weg die Rhône entlang gen Süden lag. Und die Humpis da auch schon vorbeigekommen sind. Dass es in Valence aber noch einen so schönen historischen Altstadtkern gibt, wussten wir nicht. Wir lassen uns ja gerne überraschen. Und genießen also den Blick vom Park aus auf die Burg Crussol am gegenüberliegenden Ufer. Zu Abend bekommen wir ein vier Gänge-Menü, das unser Gastgeber mal eben so aus dem Ärmel schüttelt. Wir schlagen uns den Bauch voll, da es ja am nächsten Tag wieder auf eine Wanderetappe geht. Endlich! Wieder back zu the roots auf Humpis Spuren zu Fuß. Wir haben uns schon sehr auf diese Etappe entlang der Rhône gefreut. Hatten viele Erwartungen. Und wurden dann ziemlich enttäuscht. Die Rhône sieht aus wie der Rhein. Ein gerader Fluss, an vielen Stellen begradigt, mit Deichen. Und nebendran ein geteerter Weg. Die „ViaRhôna“ ein Radwanderweg, der vom Genfer See bis zum Mittelmeer führt. Immer geradeaus. Die ursprünglich auf 25 km geplante Strecke entwickelt sich zu über 30 km. Der Weg macht Schleifchen und Rundwanderungen, wo wir einfach nur geradeaus weiterlaufen wollen. Schließlich wollen wir ankommen. Am besten vor Einbruch der Dunkelheit. Auf den letzten Kilometern bis La Voulte-sur-Rhône, dem vorläufigen Ziel, denn ab dort wollen wir den Bus nach Livron-sur-Drôme nehmen, sprechen wir kaum noch miteinander. Es tut alles weh. Die Füße, die Knie, die Hüfte, der Rücken. Wie haben die Kaufleute das nur damals gemacht? Und die sind, wir haben es ausgerechnet, im Schnitt noch 10 km mehr gelaufen am Tag als wir. Mit letzter Energie schleppen wir uns nach La Voulte-sur-Rhône. Wir steuern auf die Touristeninfo zu. Noch 5 Minuten geöffnet. Haben wir ein Glück. Fragen nach dem Bus rüber auf die andere Seite. Es gibt keinen Bus sagt die Dame am Schalter. Vom Department Ardèche gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr ins Department Drôme. Da muss man erst zurück nach Valence. Kurzes Schweigen, wir sehen uns entgeistert an. Vom Trampen rät sie uns ab. Bis Livron-sur-Drôme auf der anderen Seite sind es noch einmal 6 km. Es gibt eine Landstraße. Da sind die Autos zu schnell fürs trampen. Wir sollen aber doch bitte aufpassen, dass wir nicht überfahren werden, wenn wir an der Straße entlang laufen. Gut. Dann also weiterlaufen. Wir machen uns schnell auf den Weg, damit es nicht noch dunkel wird. Wir sind mittlerweile seit 7 Stunden unterwegs. Und fragen uns, ob man in Frankreich Kilometer irgendwie anders rechnet. Wir brauchen doch für 25 km keine 7 Stunden. Egal. Mit letzter Kraft ins beschauliche Örtchen Livron-sur-Drôme. Eine Frau hat Mitleid und nimmt uns die letzten 2 km in ihrem Auto mit. Wir laufen vom Zentrum hoch auf einen Hügel. Nach Haute-Livron. Kleine Steinhäuser, enge Gassen. Niemand auf der Straße, überall Katzen. Wir sind in Bilderbuch-Südfrankreich angekommen!

Anne

Dienstag, 22. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 9


Von Lyon nach Valence. Wir haben heute mal wieder einen Planungsvormittag eingelegt. Wie soll es nach Lyon weitergehen? Eine genaue Route hatten wir bisher noch nicht geplant. Klar war nur, die nächste Station heißt Avignon. Zug, Bahn, per Pedes? Wir haben uns jetzt für eine Kombination aus Zug und zu Fuß entschieden. Ganz auf Schusters Rappen, wie die Gesellen der Handelsgesellschaft, schaffen wir l es leider nicht. Schließlich wollen wir am Donnerstagabend in Avignon sein. Wir sitzen nun also im überfüllten Expresszug nach Avignon. In Valence steigen wir aus und laufen den morgigen Tag an der Rhône entlang, einem der wichtigsten Verkehrswege im Mittelalter. Wir wandern auf der Via Rhôna und übernachten in einem kleinen Ort auf der Strecke. Am Donnerstag geht es dann noch ein Stück weiter zu Fuß, dann steigen wir wieder in den Zug nach Avignon. Soweit der Plan. Endlich gibt es einen. In Valence kamen auch schon die Kaufleute vorbei. Ihr Weg von Lyon führte sie über Vienne, Valence, Orange nach Avignon. Wir freuen uns, endlich mal wieder laufen zu können. Natürlich, die letzten Strecken mit dem Auto oder der Bahn waren gut aber uns dürstet es mal wieder nach etwas mehr back to the roots. Heute Mittag haben wir noch ein paar letzte Aufnahmen in Lyon gemacht. Plätze und Straßen gefilmt, in denen die mittelalterlichen Messen stattfanden. Old Stuff. Und wir haben Eis gegessen. Das war besonders gut. Lyon ist toll, und die Spurensuche ist auch immer noch interessant. Aber ich bin froh, dass es jetzt weitergeht. In Lyon gab es so viel zu sehen. So viele Gassen, so viele Plätze an denen sich spannende Dinge ereignet haben. Die nächsten Tagen werden etwas ruhiger. Jetzt geht es nicht so sehr darum, materielle Spuren zu finden, sondern vielmehr ums nachempfinden. Um das auf den Weg machen, Blasen an den Füßen. Nicht genau zu wissen, wo man am Abend schlafen kann. Das wird aufregend. Und dann geht es in die Camargue. Da freue ich mich besonders drauf. Und dann Barcelona. Ach, es liegen noch so tolle Stationen vor uns. Ein großes Abenteuer. Mittelalter. Wir haben gestern noch darüber gesprochen, dass wir mittlerweile glauben, bei Statuen schon von weitem einordnen zu können, ob sie in die Zeit, die wir suchen, passen oder nicht. Das gleiche gilt für Gebäude. Wir haben auf dieser Reise schon so viel dazugelernt. Über das Mittelalter, über das Reisen, über heute und über uns. Alles was ich übers Mittelalter wusste, stammte noch aus dem Schulunterricht. Dabei ist es so eine spannende Zeit. Einen großen Dank also an das Museum Humpis-Quartier und an Herrn Schmauder, dass sie mich zu diesem Thema gebracht haben. Damit hat doch ein Musuem eigentlich schon alles erreicht. Wenn es mit einer Ausstellung, einem Thema, die Menschen begeistern kann, sie aktivieren kann, selbst aktiv zu werden, zu forschen. Sich auf eine Spurensuche zu begeben. Auch ohne historisches Vorwissen. Wir haben heute schon bedauert, dass die Humpis nicht auch in Portugal gehandelt haben, dann könnten wir noch ein Stück weiter reisen. Aber wer weiß, vielleicht haben sie ja? ….

Anne

Montag, 21. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 8

Lyon. Wir haben uns heute in Lyon die Füße platt gelaufen auf den Spuren der Humpis. Sind erschöpft und glücklich mit einem Sack voll Spuren nach Hause gekommen, haben gekocht. Wir haben in Lyon einen sehr netten, engagierten Gastgeber. Leidenschaftlicher Taucher. Leider konnten wir ihm nicht die Aufmerksamkeit für sein Hobby entgegen bringen, die wir vielleicht hätten sollen. Aber wir sind einfach zu müde für Smalltalk. Trotzdem sehen wir uns ein paar Stunden Tauchvideos an. Daher sitze ich nun mit halb geschlossenen Augen an diesem Laptop und schreibe diesen Tagebucheintrag. Er wird deshalb wohl sehr kurz. Auch das gehört zu unserer Reise dazu. Wir müssen Kompromisse eingehen. Lyon ist toll, die Altstadt ist wunderschön. Und es gibt so viel zu sehen. Wir sind gestartet mit einem Ausblick von der Terasse der Basilika, um uns einen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Bei guter Sicht kann man den Mont Blanc sehen, heute ist der Himmel diesig. Trotzdem ist der Blick bombastisch. Die Kirche ist pompös und majestätisch, stammt aber leider aus dem 19. Jahrhundert. Wir ziehen weiter, an römischen Theatern vorbei, Richtung Altstadt. Suchen Plätze und Messen auf, in denen die Kaufleute damals ihre Waren gehandelt haben. In der Rue Juiveries erinnern Schilder über den Hauseingängen an ihre damaligen Bewohner. Die berühmten Messen Lyons fanden damals in der gesamten Altstadt statt, die wir sogleich erkunden. Wir machen noch einen Abstecher ins Seidenweberviertel Croix-Rousse. Lyon ist berühmt für seine Seide. Viele der Waren wurden ab Lyon auf Schiffe verladen, um die Rhône entlang zum Mittelmeer transportiert zu werden. Wir müssen mit dem Touristenboot vorlieb nehmen, das uns ein Stück flussabwärts (?), naja Richtung Mittelmeer eben, mitnimmt. So der Tag in Lyon. Morgen ziehen wir noch etwas durch die Altstadt, bevor wir uns aufmachen nach Valence, als Zwischenziel zu Avignon. Und jetzt fallen uns die Augen zu. Gute Nacht.

Anne

Sonntag, 20. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 7


Von Genf nach Lyon. Wir sitzen im Bus. Es geht Richtung Lyon. Die Grenze haben wir schon passiert, jetzt die Maut-Station und dann rauf auf die Autobahn. Gerade konnte man kurz den Mont Blanc aus dem Fenster sehen. Jetzt liegt vor uns das Jura, wenn wir nicht ganz falsch liegen. Das werden die Kaufleute wohl auch schon gesehen haben, als sie damals unterwegs waren. Wir hatten einen angenehmen Tag in Genf. Heute, bei schönem Wetter, hat es sich in seinem schönsten Kleid gezeigt. Wir haben den Hafen erkundet, den Place du Bourg-de-Four, wo schon im Mittelalter Märkte stattgefunden haben. Wir waren recht früh fertig und haben den Blick auf den See genossen und die Gedanken schweifen lassen. Heute endet unser kleiner Ausflug in die Schweiz, zweites Land geschafft. Und wir sind mit nicht einmal 35 Euro pro Person durch die Schweiz gekommen. Wir sind stolz. Wir leben reduziert. Es fühlt sich gut und richtig an. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung der Gesellen auf der Reise übernahm damals die Gesellschaft. Außerdem stattete sie sie regelmäßig mit Kleidung aus. Die Verpflegung umfasste nicht nur Speisen inklusive Brot, Wein und Fleisch für jeden Tag, sondern auch Holz und Licht. War einer der Gesellen krank, wurden die Kosten für Ärzte und Apotheker von der Gesellschaft übernommen. Eigentlich recht komfortabel. Gerade die jungen Gesellen mussten aber sehr genau darüber Buch führen, wie viel sie wofür ausgegeben hatten. Genau das machen wir auch. Wir notieren jeden Franken und Euro, den wir ausgeben. Wir sparen Kosten für Unterkunft und Verpflegung, werden meist liebevoll und kostenlos von unseren Gastgebern versorgt. Für die Wirtsleute, bei denen die Ravensburger Kaufleute für längere Zeit untergekommen waren, gab es damals bei der Abreise, zum Neujahrstag oder bei Taufen teils auch Geschenke. Auch wir versuchen unseren Gastgebern immer eine Kleinigkeit da zu lassen. Wir versuchen uns in vielen Punkten der Reise von damals anzunähern. Da sei es gestattet, dass wir nicht alles zu Fuß laufen. Wir übertragen diese Reise in die heutige Zeit. Nutzen die Verkehrsmittel, die wir heute haben. Den Fernbus zum Beispiel. Bleiben nicht anonym, sondern sprechen mit Menschen. Stellen uns viele Fragen zu dem Leben von damals. Die nächsten Tage werden aufregend. Es ist erst eine Woche vorüber, doch nach all dem was wir gemacht und erlebt haben, könnten es schon viele Wochen sein. Jetzt kommt das Ungewisse, wir haben noch nicht genau geplant, wie wir von Lyon aus weiter machen. Wir wollen auf jeden Fall noch eine Etappe laufen. Vielleicht zwischen Lyon und Avignon, entlang der Rhône. Der Jakobsweg führt da ein Stück entlang. Oder die römische Via Agrippa die links der Rhone flussaufwärts von Arelate, dem heutigen Arles, nach Lugdunum dem heutigen Lyon, führte. Aber jetzt erst einmal Lyon. Im Mittelalter Messestadt, bekannt für seine Seide. Die Ravensburger Handelsgesellschaft hatte hier ein Gelieger. Nur ein Viertel der Transporte der Gesellschaft ging übers Meer, wegen der Piraten. Dann hat man ab Lyon die Waren auf der Rhone auf Schiffe verladen bis nach Avignon. Von dort über mehrere Häfen nach Barcelona. Wenn man Glück hatte, dann konnte man diese Passage in etwa 30 Tagen zurücklegen. Wir haben noch genau zwei Wochen. Das wird schon.

Anne

Samstag, 19. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 6

Von Bern nach Genf. Per Anhalter. Wir sind ja nicht ohne Grund auf den Straßen unterwegs. Schließlich verlaufen viele unserer heutigen Autobahnen direkt neben römischen Straßen. Der kürzeste Weg, damals und heute. Handelswege. Immer noch genutzt. Auch wenn in der Schweiz deutlich weniger LKW's unterwegs sind, als in Deutschland, wie wir finden. Unsere heutige Tramping-Erfahrung war langwierig und erschöpfend. Erst kamen wir aus Bern nicht richtig weg, mussten uns ein Schild für die nächste Autobahn-Raststätte basteln. Da strandeten wir dann für mehrere Stunden. Den Plan, heute noch Genf zu erkunden, hatte ich da schon beerdigt. Und wie immer im Leben, wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Drei junge Schweizer nehmen uns mit bis an den Genfer See. Einer davon ist ganz ohne Geld von Schaffhausen nach Hamburg gereist. Eine tolle Erfahrung, nach dem zu urteilen, was er so erzählt. Leider dauert die Autofahrt viel zu kurz. Uns fällt auf, dass auch wir bisher mit extrem wenig Geld ausgekommen sind. Vor allem in der Schweiz. Auch für die letzten paar Kilometer finden wir zwei junge französischsprachige Schweizer, die uns mitnehmen. Sie sind nicht so gesprächig, wir sprechen die ganze Fahrt über kaum ein Wort. Einiges hat sich verändert auf der kurzen Strecke von Bern nach Genf. Plötzlich sprechen alle Französisch. Und alles sieht französisch aus. Alle Schilder sind auf französisch. Genf ist groß, die Gebäude wuchtig, die Stadt überlaufen, versnobt. Wir haben sie Kommerz-Stadt getauft. Überall Geschäfte. Louboutin, Cartier, Tiffany's. Die Menschen schick angezogen, international. Schon im Mittelalter war Genf mit seinen regelmäßig stattfindenden Messen von Bedeutung. Italiener, Franzosen, Ravensburger kamen hierher um zu kaufen und zu verkaufen. Vielleicht ist das geblieben. Wir wissen es nicht genau. Aber es ist anstrengend. Die vielen Menschen, die Reklame, die Geschäfte. Die wirkliche Seele der Stadt können wir nicht greifen, sie liegt unter dem Konsum verborgen. Einen Eindruck von der Architektur der Stadt können wir nicht in Worte fassen. Aber die „vielle ville“ ist schön, die Altstadt. Kleine Gassen, nicht so viele Menschen. Die Cathedrale Saint-Pierre. Das Maison Tavel, das älteste Gebäude Genfs, aus dem 14. Jahrhundert. All das dokumentieren wir. Wir bekommen zwar keinen richtigen Eindruck, welches Genf die Humpis damals erlebt haben, aber wir besuchen die Gebäude, die auch zu ihrer Zeit schon standen. Wobei das in Genf wirklich nur sehr wenige sind. Die Lagerhallen am Place du Molard, wo die Messen einst stattgefunden haben, stehen nicht mehr. Den Platz gibt es noch. Genf und Lyon waren vor allem durch ihre Messen für die Handelsgesellschaft von Bedeutung. Außerdem lagen Sie ungefähr in der Mitte der Handelsachse Ravensburg - Barcelona - Saragossa, Valencia. Genf liegt strategisch günstig am Ausgangspunkt der großen Nord-Süd-Verbindung durch das Rhônetal auf einem Hügel nahe einer Brücke über die Rhône, die hier den Genfer See verläßt. Seit der Antike ermöglichte der Hafen die Umladung der Güter vom Wasser- auf den Landweg, was wegen der Geländeverhältnisse auch notwendig war. Morgen gehen wir noch zum Place du Bourg-de-Four, hier wurden schon im Mittelalter Märkte abgehalten. Ansonsten finden wir keine Spuren der Humpis, auch wenn wir wissen, dass sie in Genf sogar ein Gelieger hatten. Naja, es kann nicht immer funktionieren.

Anne

Freitag, 18. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 5

Bern. So schön, wie unsere kleine Liebesgeschichte mit Bern angefangen hat, so schnell war sie zu Ende. Dauerregen macht uns einen Strich durch die Rechnung, wir können nicht starten. Wir sitzen also daheim fest, planen den nächsten Stopp Genf. Seit zwei Tagen haben wir wirklich kein Glück mit dem Wetter. Gegen Nachmittag soll es besser werden. Wir absolvieren unser Radio-Interview, mittlerweile routinierter. Die Aufregung ist nicht mehr so groß. Das Interesse der Redaktion allerdings auch nicht. Na klar, Mittelalter ist ein schweres Thema. Aber man kann es spannend erzählen. Und wenn unsere Reise kein Abenteuer ist, dann weiß ich auch nicht. Jeden Tag begegnen uns Dinge, ereignen sich Situationen, die uns an die Kaufleute erinnern. Wir fühlen uns ihne nahe. Wir laufen Straßen entlang, die auch die Humpis hinunter geschritten sind. Wir stehen auf denselben Steinen. Wir stehen in Kirchen, in denen auch vor 600 Jahren schon die Kaufleute gestanden und gebetet haben. Wir ächzen unter unseren schweren Rucksäcken und sind froh über unsere Regenjacken und bewundern gleichsam die Menschen des Mittelalters die über keine so komfortable Ausrüstung verfügten. Wir freuen uns nach einem anstrengenden Tag auf ein leckeres Schweizer Raclette und fragen uns, was wohl die Kaufleute der großen Ravensburger Handelsgesellschaft auf ihren Reisen gegessen haben. Wo sie gegessen haben. Und wie sie genächtigt haben. Ganz bewusst haben wir uns bisher auf unserer Reise gegen ein bequemes Hotelzimmer entschieden. Auch wir übernachten bei Menschen, die uns eine Herberge bieten. Ohne dafür etwas zu verlangen. Außer ein nettes Wort am Morgen oder ein Beisammensitzen am Abend. Wir leben in einer Zeit der Vernetzung. In einem vernetzen Europa. Wir können uns im Internet mit allen möglichen Menschen verbinden, sie zu Hause besuchen, uns austauschen. Auch bei den Humpis ging es um Vernetzung. Sicherlich, hier war es ein Handelsnetz, dass gesponnen wurde. Dieses Handelsnetz besteht heute noch. Und auch wir bauen uns um dieses Netz ein weiteres Netz der menschlichen Begegnungen auf. Sammeln Geschichte, lernen Menschen, Kuturen kennen. Wie auch die Kaufleute es erlebt haben müssen. Bleiben nicht anonym, sondern mischen uns unter die Menschen, in ihre Wohnungen, ihre Autos, ein Stück weit in ihr Leben. Und sind so viel näher dran. Auch an den Kaufleuten. Das nur am Rande dieser Reise. Weil es mich doch sehr beschäftigt. Unsere Spurensuche ist mehr oder weniger zu einer Art Routineuntersuchung geworden. Wir klappern die wichtigsten Orten anhand eines Stadtplans ab, informieren uns in der Touristeninformation. Durchstreifen die Gassen und halten die Augen offen. Oft ist die Spurensuche nicht so ergiebig. Wir finden alte Gebäude, Straßenzüge, vor allem Kirchen. Aber wenig spektakuläres, wenig greifbares, besonderes. So auch hier in Bern, dessen Grundriss der Altstadt nahezu identisch ist mit der mittelalterlichen Stadt. Auf dem Turm des Münsters sprechen wir mit dem Turmwart über Bern im Mittelalter, seine Bedeutung als Handelsstadt, die eher im regionalen, weniger im internationalen Handel lag. Das hatten wir schon gehört. Im Münster dann doch eine Spur. Eine Fenstermalerei weist auf das Wappen der Familie Diesbach hin. Die Familie Diesbach der Diesbach-Watt-Gesellschaft, eine der größten Konkurrentinnen der Ravensburger Handelsgesellschaft? Wir wissen es nicht, schreiben es auf und werden es zu Hause recherchieren. Wir besteigen noch den Rosengarten für einen letzten Ausblick auf die Altstadt, das Mattequartier, in dem die Flösser, Gerber und einfachen Leute gelebt haben. Und in dem Casanova ein Bordell besuchte. Am Abend kommt sogar die Sonne heraus. Ein Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau bleibt uns aber dennoch verwehrt.

Anne

Auf den Spuren der Humpis - Tag 4


Von Konstanz nach Bern. Heute wollten wir mal etwas Neues ausprobieren. Auto-Stopp, wie man in der Schweiz sagt. Per Anhalter durch die Schweiz. Wir starten gut, wenn auch etwas geschummelt. Ein Bekannter von Friederike nimmt uns mit bis kurz vor Zürich. Er lebt in Konstanz und arbeitet in der Schweiz. Auch nicht schlecht. Er im Hemd, wir in Wanderklamotten. Kurz vor Zürich, am Rastplatz Kemptthal, ässt er uns raus. Jetzt startet das erste richtig große Abenteuer unserer Reise, wir wollen versuchen zu trampen. So richtig haben wir das noch nie gemacht. Aber wir sind vorbereitet. Wir haben ein Pappschild mit unserer Wunschdestination dabei. Nach Bern soll's gern. Kulli auf grauem Grund. Wir stärken uns noch einmal mit einem Picknick auf dem Rastplatz, bevor wir richtig loslegen. Gerade als wir uns aufgestellt haben, beginnt es zu regnen. Kein guter Start. Und auch generell scheint die Glückssträhne abzureißen. Wir postieren uns zweimal um, doch 1,5 Stunden lang will uns einfach niemand mitnehmen. Manche lächeln, ziehen die Schultern hoch und deuten, dass sie in die andere Richtung fahren. Manche fahren auch einfach ausdruckslos an uns vorbei. Aber dann, ein Geschäftsmann nimmt uns mit bis in die Züricher Innenstadt. Immerhin. Wir sind erleichtert, freuen uns. Zwar nicht bis Bern, aber immerhin mal kurz im Auto aufwärmen. Im regnerischen Zürich machen wir uns auf zu unserem nächsten Tramp-Punkt. Wir laufen Richtung Autobahn gen Bern. An einer Ampel kurz vor der Auffahrt stellen wir uns auf. Ob das was wird. Die Autos rasen mit mehr als 60 km/h an uns vorbei. Sekündlich schwindet unsere Hoffnung hier mitgenommen zu werden. Zur Not nehmen wir halt den Zug. Aber nach 5 Minuten Wartezeit mit Daumen raus hält eine ältere Dame an, sie nimmt uns mit nach Bern. Wir können unser Glück kaum fassen. Ihr Fahrstil ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Doch wir sind müde und dösen die 1,5-stündige Fahrt vor uns hin. Bern empfängt uns in strömendem Regen. Wir flüchten uns in das nächste Café. Heute werden wir wohl keine Spurensuche mehr starten. Wir widmen uns der Planung der nächsten Tage, schreiben Notizen, reden. Zum Abend hin klart der Himmel auf, wir treffen uns mit unserem heutigen Gastgeber am Bahnhof. Auf dem Weg dorthin mit der Tram erhaschen wir einen kleinen Blick auf die Schönheit dieser Stadt. Und sie ist wahrlich schön. Ich habe schon einige Städte gesehen, doch Bern, mit den imposanten Gebäuden aus dem 17. Jahrhundert, dem Alpenpanorama. Das gefällt mir unglaublich gut. Unser Gastgeber wohnt nicht allzu weit von der Altstadt entfernt. An der Aare entlang werden wir morgen in die Altstadt laufen. Aus dem Bus sehen wir noch einmal kurz die Alpen. Schneeberge, glitzernd, vor blauem Himmel, unbewegt. Zu Hause angekommen, werden wir von fünf 4 Wochen alten Katzenbabys begrüßt. Der Abend ist also gelaufen. Wir verbringen den restlichen Tag kuschelnd auf dem Boden mit fünf Babykatzen und tanken Energie für die Berner Spurensuche.

Anne

Mittwoch, 16. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 3


Konstanz. Die erste „echte“ Station auf unserer Reise. Nach einer erholsamen Nacht startet der Tag mit einem aufregenden Radio-Interview. Ganz modern, per Smartphone. Doch die Moderatorin ist locker, das Gespräch kurzweilig. Ich erzähle von der bisher wenig ergiebigen Spurensuche und sage, dass ich mich auf den heutigen Tag freue. Konstanz. Stadt am Bodensee. Heimathafen der Kaufmannsfamilie Muntprat. Auf den Spuren der Muntprats, für den heutigen Tag. Das macht aber nichts, denn auch die gehören zur Großen Ravensburger Handelsgesellschaft und auch die haben in Barcelona gehandelt. Es wäre doch gelacht, wenn sich da nichts finden ließe. Auf dem Plan stehen: die Muntpratstraße, das Konzil, das Münster, die Imperia. Und ein Gang zur Tourist Information. Vielleicht wissen die ja mehr als wir. Beginnen wir also mit einem Gang durch die Muntpratstraße. Ein paar schöne Altbauten, aber keine mittelalterlichen Spuren. Wir erinnern uns. Eine Straße wird nicht unbedingt nach einer Person benannt, weil diese dort wohnte, sondern weil sie eine Bedeutung für die Geschichte der Stadt hatte. Wir sind ein bisschen enttäuscht. In dieser Straße werden die Muntprats wohl kaum gewohnt haben. Weiter durch die Altstadtgassen. Ein bedeutendes Gebäude reiht sich an das nächste, viele fein-säuberlich mit Plaketten versehen, die die Geschichte des Hauses erzählen. Viel Mittelalter, aber die Muntprats finden wir nicht. Wir ziehen also den Joker, die Tourist Information. Und tatsächlich, ein paar Telefonate später, ist man dort wirklich schlauer als wir. Ein Muntprat-Haus soll es geben. Heute ein Bettenhaus. Und in einer Seitenkapelle des Münsters, läge der Bruder vom Luitfried, Hans, begraben. Das klingt nach einer heißen Spur. Wir nehmen noch schnell das Konzilsgebäude, damals Warenlager, und ein paar schöne Aufnahmen von Hafen und See mit und begeben uns auf Spurensuche. Die erste richtige. Mit Informationen, die wir in den weiten des Internets nicht gefunden haben. Und tatsächlich, wir finden das Haus der Muntprats. Gelb, Mehrstöckig, heute ein Bettenhaus. Eine Inschrift an der Seite erzählt uns, dass dort einst wichtige Kaufleute gelebt haben. Kein direkter Hinweis auf die Muntprats, schade. Aber wir wissen's ja besser. Das unbeständige Wetter zwingt uns zu einer kurzen Pause, bevor wir uns der zweiten Spur widmen. Das Grab des Hans Muntprat. Wir nutzen die paar wenigen Sonnenminuten, um den Turm des Münster zu erklimmen. Zumindest versuchen wir es. Ich gebe nach der ersten Plattform auf, Höhenangst. Friederike geht vor. Ich traue mich dann doch. Stolz. Der Blick ist fantastisch. Wir schauen hinüber in die Schweiz, die uns ab morgen für drei Tage beheimaten wird. Noch ganz beschwingt von den schönen Panorama-Bildern fällt der Abstieg leichter. Nun das Grab. Die Dame an der Kasse weiß nichts von einem Hans Muntprat, der hier begraben ist. Sie ruft einen Kollegen. Zusammen wälzen wir einen dicken Band über Konstanz und finden tatsächlich einen Hans Muntprat, der hier begraben liegt. Der Kollege sagt, wir müssen vielleicht den Teppich ein bisschen beiseite ziehen, um das Grab freizulegen. Wir tun wie uns geheißen und dokumentieren. Eine weitere Spur. Zwar nicht von Luitfried Muntprat, aber immerhin von seinem Bruder. Das Münster ist dann auch die letzte Station für heute. Wir sind hungrig und müssen noch einkaufen. Die nächsten Tage in der Schweiz werden entbehrungsreich.

Anne

Dienstag, 15. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 2

Von Markdorf nach Konstanz. Oje, alles tut weh. Erstaunlicherweise. Heute Morgen hatten wir beide das Gefühl, das wird ein guter Tag, ohne Muskelkater. Wir hatten uns wohl getäuscht. Nach wenigen Kilometern kamen die bekannten Zipperlein zurück. Im Markdorfer Sportfachgeschäft belehrte man uns noch, das läge nicht an der falschen Einstellung des Rucksacks. Das darf ruhig in den Schultern ziehen. Das sei ein Muskelkater, das geht weg. Nach ein paar Tagen. Also gut, dann immer weiter Richtung Bodensee. Und was macht die Wandersfrau, wenn der Weg lang, die Aussicht immer die gleiche ist? Sie stimmt ein Wanderlied an. Dummerweise kennen wir die Texte nicht. Es reicht nur für den Anfang, oder den Refrain. „Das Wandern ist des Müllers Lust....“, „im Frühtau zu Berge wir ziehen, fallera, nänänänänänänänänä fallera“. Wir haben  ein Medley daraus gemacht. Aus den nicht abgeschlossenen Wanderliedern auf unserer noch lange nicht abgeschlossenen Reise. Von den Kaufleuten sehen wir heute nicht viel. Die Etappe ist eher Mittel zum Zweck. Der Zweck nämlich, Konstanz zu erreichen. Da ging auch schon im Mittelalter viel. Vor allem, wenn man aus der Familie Muntprat stammte. Aber Konstanz liegt noch vor uns. Dazu morgen mehr. Nach einer wenig ereignisreichen Wanderung, das Wetter ist grau und kühl, erreichen wir Meersburg. Natürlich machen wir einen Abstecher in die historische Altstadt und zur Burg. Vielleicht sind auch die Kaufleute damals schon durch diese historischen Straßen gezogen. Wir wissen es nicht genau. Gestärkt mit einem Eis im Magen machen wir uns jedenfalls auf zur Fähre. Heute führen wir ein neues Verkehrsmittel in unsere Reise ein: die Fähre. Die Autofähre von Meersburg nach Konstanz. Groß, Metallisch, Laut. Sie ist heutzutage das Mittel der Wahl, um den See zu überqueren. Wahrscheinlich sind auch die Kaufleute damals schon mit Booten über den See gefahren. Konstanz empfängt uns im Regen. So wie wir im Nieselregen starteten, so kommen wir heute an unserer ersten richtigen Station an: Konstanz. Doch einen Blick für die Schönheiten dieser Stadt haben wir heute nicht mehr, wir sind erledigt. Wir haben morgen einen ganzen Tag, um die Stadt zu erkunden. Das wird schön. Auch heute kommen wir wieder bei netten Menschen unter, die uns auf unserer Reise unterstützen wollen. So wie Judith in Markdorf gestern. Mit Chili con Carne im Bauch auf einer kuscheligen Eckcouch schlief es sich gar nicht so schlecht. Im historischen Konstanz schlafen wir heute direkt unterm Dach. Mit altem Gebälk. Selten haben wir uns in unserer Herberge den Kaufleuten so nahe gefühlt. Wenn man die Augen schließt hört man den Kirchturm läuten, der Holzboden quietscht unter den Schritten unser geschunden Füße.

Anne

Montag, 14. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 1

Die erste Nacht im fremden Bett ist überstanden. In Ravensburg sind wir bei Freunden von Freunden von Freunden untergekommen. Fremde Menschen eigentlich, von denen wir lediglich die Vornamen und die Adresse kannten. Und dennoch hat man uns unglaublich herzlich empfangen. Wie gute Bekannte. Zur Begrüßung gab es eine Schüssel heißes Curry, wir sind mitten in ein gemeinsames Kochen unter Freunden geplatzt. Und wurden sofort in die Runde aufgenommen, integriert. Toll, dass es Menschen gibt, die fremde Menschen so ganz unvoreingenommen aufnehmen. Nette Menschen. Markus, Jonas und Stefan von lustblume.de sind ein paar lustige Typen. Haben ihre eigene Videoagentur und betreiben eine Beratungshomepage für Sexspielzeug. Trotz des lustigen Abends schlafen wir schlecht. Sicher die Aufregung vor dem heutigen Tag. SWR- Interview, Auftakt der Reise, die erste Etappe zu Fuß. Ersteres läuft schon mal ganz gut. Pünktlich um acht stehen wir vor dem SWR-Korrespondentenbüro in Ravensburg mit Andreas Schmauder vom Humpis-Quartier. Das Interview ist kurz und schmerzlos. Warum die Aufregung? Gut, hinterher ist man immer schlauer. Vor den nächsten Interviews ist die Angst jetzt also deutlich gesunken. Die Moderatorin wünscht uns alles Gute für die Reise und los geht’s. Während wir uns auch von Herrn Schmauder noch gute Wünsche mit auf die Reise geben lassen, geht draußen die Welt unter. Doch kaum lufen wir los, hört es auf zu regnen. Als würde es das Wetter gut mit uns meinen. Die Reise steht unter einem guten Stern. Noch schnell beim Supermarkt Reiseproviant gekauft und dann verlassen wir Ravensburg Richtung Oberteuringen. Auf unsere erste Spur, eine Humpisstraße. Und tappen bereits in die erste Falle. Auf die Wanderwege des Schwäbischen Albvereins war kein Verlass. Drei Schilder mit der Aufschrift „Wanderweg“, die in drei verschiedene Himmelsrichtungen zeigten, machten es uns nicht einfach. Gut, dass wir eine Karte dabei haben. Aber die bringt auch nicht mehr Klarheit. Nach einigen Irrungen und Wirrungen geraten wir zurück auf den rechten Weg, mit einer knappen Stunde Verspätung. Dank GPS. Denn ohne Smartphone ging es dann eben doch nicht. Wir fragen uns mit jedem Kilometer mehr, wie es die Kaufleute vor 600 Jahren ganz ohne Wanderkarte und Smartphone bis nach Barcelona geschafft haben. Und ärgern uns über uns selbst, dass wir dazu nicht in der Lage sind. Und außerdem tut alles weh, schon nach den ersten paar Kilometern. Wir sind ganz schön verwöhnt und verweichlicht. Bei dem Gedanken, die gesamte Strecke bis nach Barcelona, so wie die Kaufleute, zu Fuß zurückzulegen, sträuben sich uns die Nackenhaare. Wir würden kapitulieren. Denn schon jetzt bilden sich Blasen an den Fußsohlen, die Schultern brennen vom schweren Rucksack und irgendetwas knackt da in der Hüfte. Einzig das Wetter hat uns heute die Treue gehalten. Von weiten sehen wir das Unwetter vor uns herziehen. Nach uns die Sintflut, nur andersherum. Die gesamte Strecke vorbei an unzähligen Apfelplantagen, von deren Qualität wir uns nur einmal überzeugen, bleiben wir trocken. Mit letzter Kraft, wir haben die letzten 4 km unterschätzt, erreichen wir den Stadtrand von Markdorf. Beim ersten Supermarkt halten wir an, wir brauchen Zucker. Mit einer Cola bewaffnet, machen wir es uns auf dem Parkplatz bequem, weiter schaffen wir es nicht. Und wieder bewundern wir die Kaufleute, die es ohne zuckrige Energie-Cola damals so viel schwerer gehabt haben mussten. Denn wir sind nach unseren ersten 25 km ganz schön geschafft. Pünktlich zum Einbruch des Platzregens werden wir abgeholt von unserer heutigen Gastgeberin Judith. Es gibt Chili con Carne. Cowboy-Essen als Stärkung für unsere morgige Etappe bis Konstanz. Natürlich wieder zu Fuß. Aber erst nach einer hoffentlich erholsamen Nacht mit müden Gliedern.

Anne

Sonntag, 13. September 2015

Auf den Spuren der Humpis - Tag 0

Tag 0, Stunde 0: Jetzt geht es los. Endlich. Ich sitze im Zug von Tübingen nach Ravensburg. Mit meinem Rucksack - 15 Kilo geballtes Abenteuer. 2 Stunden Zeit, um die letzten Tage Revue passieren zu lassen und Kraft zu sammeln für die nächsten drei Wochen. Ein riesiges Abenteuer. Bei dem noch so vieles offen ist. Wie kommen wir von A nach B? Wo werden wir schlafen? All das wird sich zeigen, mit der Zeit. Aber jetzt erstmal nach Ravensburg, zum Startpunkt unserer Reise. In Aulendorf kommt Friederike dazu, wir werden die nächsten drei Wochen zusammen verbringen. Auch das wird spannend. Gemeinsam auf den Spuren der Humpis und der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft. Nach so vielen Wochen Planen, Hoffen, Bangen. Haben wir an alles gedacht? Haben wir alles gut überdacht? Auf was haben wir uns da eingelassen? Viel Freude, aber auch ein bisschen Zweifel. Was sollen wir uns ansehen an unseren Stationen? Was wollen wir, können wir zeigen? Was können wir überhaupt leisten auf unserer Reise? Eine historische Aufarbeitung? Einen Roadtrip? Wie viele Spuren werden wir wirklich finden? Abseits der Altstadt-Postkarten-Motive. Enge Gassen, Touristen-Kitsch. Oder ist es genau das, was wir zeigen sollten? Das, was letztlich geblieben ist, erhalten seit 500 Jahren. Auf den Spuren der Humpis. Ein funktionierendes Handelsnetz zwischen Nord- und Südeuropa. Was haben die Kaufleute damals gesehen? Eben diese Gebäude, die wir auch heute noch in manchen mittelalterlichen Altstädten bewundern können. Kathedralen, Plätze, Brücken, Herrenhäuser. Wir werden sehen, was uns auf unserer Reise alles begegnen wird und mit welchen Widrigkeiten wir zu kämpfen haben werden. Ein Abenteuer wird es in jedem Fall. Von Ravensburg nach Barcelona - na dann mal los... Anne

Auf den Spuren der Humpis - von Ravensburg nach Barcelona


Die Fugger aus Augsburg, die kennt man. Aber die Große Ravensburger Handelsgesellschaft? Die kennen nur die Wenigsten. Dabei war die Gesellschaft eines der bedeutendsten europäischen Handelsunternehmen des Spätmittelalters. Zwischen 1380 und 1530 exportierte sie Leinwand, Metalle, Felle und Leder ins gesamte mittelalterliche Europa. Mit Standorten in Italien, Spanien, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden oder England. Importiert wurden vor allem Gewürze, südländische Früchte und Edelsteine. Koralle und Safran lockten die Kaufleute Humpis, Muntprat und Mötteli der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach Barcelona. Das dokumentiert auch die Ausstellung “Die Humpis in Barcelona” im Museum Humpis­Quartier in Ravensburg. Der Weg nach Barcelona war lang und beschwerlich. Für die Reise brauchten die Kaufleute im späten Mittelalter zwischen 30 und 40 Tagen. Welche Orte lagen entlang der Handelsstraßen? Wo konnte man übernachten? Welche Zölle waren zu bezahlen? Welche Transporteure zuverlässig? Derlei Informationen waren wertvoll für die Gesellschaft. Heutzutage setzen wir uns ins Flugzeug und sind innerhalb kürzester Zeit an Orten auf der ganzen Welt. Ohne Komplikationen. Anne Täschner und Friederike Luithle, zwei Studentinnen der Medienwissenschaft an der Uni Tübingen, machen sich auf den Weg von Ravensburg nach Barcelona, auf den Spuren der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft. Zu Fuß, mit dem Auto, mit Bus oder Bahn.Sie begeben sich auf Spurensuche von Ravensburg über Konstanz, Bern, Genf, Lyon, Avignon und Perpignan bis nach Barcelona. Was haben die Kaufleute auf ihrer Reise erlebt? Wie wurde damals Handel betrieben, wie heute? Wo haben die Handelsleute damals übernachtet, wie können wir heute reisen?